Zauberhafte Sixtinische Madonna

 

Sixtinische Madonna, bitte warten ...Das Meisterwerk

 

Wo kommen die kleinen Engel her?

Zwei schelmische Engel sind es, die der Muttergottes und dem Jesuskind des Raffaelo Santi Weltruhm verliehen. Doch die Engel – vielleicht etwas kitschig – sind als Einzelmotiv heute viel berühmter als das Gesamtwerk, das die Kunsthistoriker als Sixtinische Madonna oder Sixtina betiteln. Es ist wohl einmalig in der Geschichte, dass ein Gemäldeausschnitt seinen Siegeszug durch die Jahrhunderte antrat und die Medienwelt und Millionen Menschen bis heute begeistert.

 

Es war der italienische Renaissancemaler Raffaelo Santi, kurz Raffael genannt, der 1512/13 das Meisterwerk für die Kirche des Benediktinerklosters San Sisto in Piacenza schuf. Er malte entgegen damaliger Gepflogenheiten dieses Altarbild auf Leinwand. Vermutlicher Grund: Es war bei Prozessionen leichter zu tragen als eine schwere Holztafel.

 

Lange rätselten die Wissenschaftler über Entstehungsgeschichte und Deutung des Bildes. Erst 1922 lieferte der Kunsthistoriker Hubert Grimme die entscheidenden Hinweise. Er stellte eine Verbindung zwischen der Eichel auf der Papstkrone und dem Weihrauchmantel (Pluviale) mit dem Adelsgeschlecht »Della Rovere« (»von der Eiche«) her. So kam Papst Julius II. ins Spiel. Er entstammte dieser Familie, galt als »der« Förderer Raffaels und wurde somit als Auftraggeber des Werkes identifiziert. Der auf dem Bild dargestellte Sixtus II. ist der Schutzpatron der Familie Della Rovere, und in der Klosterkirche San Sisto zu Piacenza werden die Reliquien des heiligen Sixtus und der heiligen Barbara verehrt.

 

Nachdem der Auftraggeber bestimmt war, ließ sich auch das Gemälde genauer datieren. Es entstand zwischen 1512, dem Anschluss Piacenzas an den Kirchenstaat, und dem Tod von Papst Julius II. am 21. Februar 1513. Weitere Entdeckungen in diesem wissenschaftlichen Puzzle: Der heilige Sixtus ist Raffaels Auftraggeber Papst Julius II. sehr ähnlich. Das zeigen die Julius-Porträts auf mehreren Fresken Raffaels, zum Beispiel in der Stanza di Eliodoro im Vatikan.

 

Vermutlich hat der Auftraggeber den Maler zur Familiengeschichte der Rovere ausführlich informiert, denn ein Onkel war Papst Sixtus IV., der nach seinem Amtsantritt (1471) den Neffen Julius zum Kardinal erhob. Die Verehrung des päpstlichen Onkels für den heiligen Sixtus ist im Bild verschlüsselt.

 

Raffael präsentiert sein Altarbild als »Sacra Conversazione«, eine Verbindung von Madonna, Heiligen, Engeln, Stiftern und Berühmtheiten. Zu Füßen Mariens kniet Papst Sixtus II. (257–258), Märtyrer unter Kaiser Valerian und Namenspatron der Benediktinerkirche in Piacenza. Er vermittelt zwischen dem Himmel mit der Muttergottes und der Welt der Gläubigen. Rechts ist die heilige Barbara mit dem Turm dargestellt. Sie war die Tochter des reichen Christenfeindes Dioskuros von Nikomedien und wurde für ihren unerschütterlichen Glauben eingekerkert, gefoltert und schließlich hingerichtet.

 

Die Faszination des Gemäldes geht von einer idealisierten und sehr weiblichen Mutter Maria aus, die ein in sich gekehrtes Jesuskind auf dem Arm trägt. Unter den zahlreichen Madonnen Raffaels ist diese Darstellung einmalig. Modell stand dafür, wie der Renaissance-Maler Giorgio Vasari berichtet, die Bäckerstochter Fornarina, die Geliebte Raffaels. Als Maria steht sie mit nackten Füßen auf einer Engelswolke und symbolisiert die unbefleckte Reinheit. Ein geteilter Vorhang gibt den Blick frei auf eine himmlische Bühne, die Erlösung verheißende Muttergottes und den Gottessohn.

 

Der »göttliche« Raffael oder der »sterbliche Gott«, so beschreibt Vasari den Kollegen und vergleicht ihn aufgrund seines Aussehens und seiner »gottbegnadeten Malkunst« mit Christus. Die Madonna des Meisters sollte eine weite Reise antreten. 1753/54 erwarb sie August III. von Sachsen für die stattliche Summe von 120000 Goldmark. Seitdem hängt in der Klosterkirche San Sisto in Piacenza eine Kopie der Madonna mit Heiligen und Engeln, angefertigt von Pier Antonio Avanzi. Nach vierzigtägiger Reise erreichte das Gemälde am 1. März 1754 Dresden. Man erzählt, der überzeugte Katholik August soll eigenhändig seinen Thronsessel beiseite geschoben haben, um dem »göttlichen Raffael« Platz zu machen.

 

Zwei Jahrhunderte später musste die Madonna noch einmal auf Reisen gehen: Die Gemäldegalerie Alter Meister in Dresden, wo sie ihren Platz gefunden hatte, wurde vor dem Zweiten Weltkrieg (1938) geschlossen. Man lagerte die Bilder in sichere Depots aus. Am 13. Februar 1945 ging Dresden im Feuersturm unter, und drei Monate später marschierten sowjetische Truppen ein. Eine »Trophäenkomission« konfiszierte die »gerettete« Dresdener Sammlung, die nach Moskau und Kiew expediert wurde. Am 25. August 1955 übergaben Vertreter der sowjetischen Regierung einer DDR-Delegation in Moskau die Gemälde, und man feierte die »Rettungstat der sowjetischen Truppen«. Im Juni 1956 öffnete die Dresdener Galerie mit ihrem Hauptwerk, der Sixtina, wieder ihre Pforten.

 

Doch jetzt das letzte Kapitel: 1983 wurde Raffaels Meisterwerk mit modernster Technik untersucht. Dabei gelang eine sensationelle Entdeckung: Die beiden Engel am unteren Bildrand wurden erst im Nachhinein auf die schon fertigen

Wolken gemalt. Die Überraschung war perfekt: Die Sixtinische Madonna ist weltberühmt durch ihre Engel – und ausgerechnet sie stammen nicht von des Meisters Hand. Zwar hatten schon 1768 der Kunstkenner Carl Heinrich von Heinecken und 1842 der Maler Alfred Rethel Zweifel an Raffaels Urheberschaft geäußert, aber wie sollten sie den Beweis antreten? Den lieferte nun die Röntgenaufnahme.

 

Doch niemand würde es heute wagen, die geflügelten Schelme aus dem Gemälde wegzurestaurieren. Und so bleiben die beiden Engel aus der Hand des unbekannten Meisters ein letztes himmlisches Rätsel, das die Sixtinische Madonna des berühmten Raffael umgibt.

 

Autor(in): Volker Barth

Quelle: PM History

 

Die Madonna in Potsdam

 

Königin Luise ließ die Sixtinische Madonna, die sich heute in Dresden befindet, kopieren und schenkte sie 1804 ihrem Ehemann zum Geburtstag. Die originalgetreue Kopie hängt seitdem in der Orangerie des Schlosses Sanssouci

 

 

 

Die Madonna nach Berlin gerettet?

 

Viel Bilder aus der Gemäldegalerie wurden während des Elbehochwassers 2002 aus dem Zwinger gerettet und in Berliner Depots eingelagert. Die Sixtinische Madonna gaben die Sachsen aber nicht aus der Hand.

Wenn es um die Jahrtausendflut  der Elbe und ihre Folgen geht, werden gern Superlative bemüht. Noch nie hat Dresden (freiwillig) so viele Bilder - 136 – weggegeben.

Zum Dank an die Berliner Hilfe präsentieren sich die Dresdner Museen in der Deutschen Hauptstadt. Ende November 2002 eröffnete die Skulpturenschau und  eine Ausstellung mit 136 Alten Meistern aus dem Dresdener Zwinger.