Die Hugenotten in Berlin und Brandenburg

 

Seit der Reformation gab es in Frankreich Menschen, die sich im Unterschied zur katholischen Mehrheit des Landes zum Calvinismus bekannten. Dieses Bekenntnis zum Protestantismus setzte sie der Kritik der katholischen Herrscher Frankreichs und ihrer katholischen Nachbarn aus, die in ihnen Abweichler vom rechten Glauben sahen. Immer wieder kam es zu Hetze, Übergriffen und Verfolgungen, bei denen auch viele ihr Leben lassen mussten. In der Bartholomäus-Nacht am 24. August 1572 wurden in Paris Tausende Hugenotten, die sich aus Anlass der Hochzeit von Heinrich von Navarra versammelt hatten, auf Anordnung Katharinas von Medici und mit Zustimmung Karls IX umgebracht.

 

 [Francois Dubois: Die Bartholomäus Nacht]

 

Ihren Höhepunkt fanden die Pogrome in dem am 18. Oktober 1685 verkündeten Edikt von Fontainebleau. Ab sofort war den französischen Protestanten die Ausübung ihres Glaubens untersagt. Das Edikt legte fest, dass sämtliche reformierten Kirchen zerstört, jegliche reformierte religiöse Veranstaltung verboten und alle reformierten Prediger vertrieben werden sollten.

Während Tausende von ihnen der Folgezeit eingekerkert, hingerichtet oder auf Galeeren geschickt wurden, beschloss etwa ein Viertel der französischen Protestanten, das waren etwa 200.000, die Heimat zu verlassen. Als Ziel wählten sie die protestantischen Nachbargebiete Frankreichs, die Schweiz, Niederlande, England, deutsche Fürstentümer und auch Nordamerika.

Am 29. Oktober 1685 erließ der brandenburgische Kurfürst Friedrich Wilhelm das Edikt von Potsdam, worin die Bedingungen festgelegt sind, unter denen die französischen Glaubensflüchtlinge nach Brandenburg-Preußen übersiedeln konnten. Diese waren sehr großzügig gestaltet und beinhalteten die wichtigen Punkte wie: Glaubensfreiheit, Niederlassungsfreiheit, Steuerfreiheit für 6 Jahre, volle Bürgerrechte, eigene Gerichtsbarkeit und Schulen, Eingliederung in das Ständesystem. Der brandenburgische Kurfürst versprach sich, entgegen Widerständen in der eigenen Bevölkerung, davon einen schnellen wirtschaftlichen Aufschwung in seinem Land.

 

[Hugo Vogel, „Friedrich Wilhelm von Brandenburg, der „Große Kurfürst“, empfängt die aus Frankreich geflohenen Hugenotten im Potsdamer Schloss“]

 

Es entstanden zahlreiche Hugenotten-Kolonien mit eigenen Kirchen, und um 1700 stellten die Hugenotten ein Drittel der Berliner Bevölkerung. Der Empfang, der ihnen von den Einheimischen bereitet wurde war jedoch merklich kühl. Die fremde Sprache, die ungewohnte Kleidung, andere Gewohnheiten und unbekannte Speisen, dies alles waren Neuigkeiten, denen die Ansässigen misstrauisch bis ablehnend gegenüber standen. Manchmal wurde ihnen der Verkauf von Nahrungsmitteln verweigert. Die notwendige Mitversorgung der Flüchtlinge verursachte zeitweise eine Lebensmittelknappheit, die wiederum Preissteigerungen zur Folge hatte. In einzelnen Orten wurden sogar Häuser, die Hugenotten zugewiesen worden waren, in Brand gesteckt.

Jahre später schätzte Freiherr von Pöllnitz ein: „Wir haben ihnen unsere Manufakturen zu danken, und sie gaben uns die erste Idee vom Handel, Gendarmenmarktden wir vorher nicht kannten. Berlin verdankt ihnen seine Polizei, einen Teil seiner gepflasterten Straßen und seine Wochenmärkte. Sie haben Überfluss und Wohlstand eingeführt, und diese Stadt zu einer der schönsten Städte Europas gemacht. Durch sie kam der Geschmack an Künsten und Wissenschaften zu uns. Sie milderten unsere rauhen Sitten, sie setzten uns in den Stand, uns mit den unaufgeklärtesten Nationen zu vergleichen, so dass, wenn unsere Väter ihnen Gutes erzeigt haben, wir dafür hinlänglich belohnt worden sind.“

Auch heute noch erinnern Namen wie Theodor Fontane, Reclam-Verlag, Gendarmenmarkt oder die Berliner Bulette an deren französischen Ursprünge aus der Zeit der Hugenotten-Einwanderung.

 

[Gendarmenmarkt in Berlin, Links: Deutscher Dom, Rechts: Französischer Dom]