Sachsen arbeiten zum Wohle des ganzen Volkes

 

Die wirtschaftliche Basis der DDR-Wirtschaft lag im Süden ihres ehemaligen Territoriums. Das sind die Teile der heutigen Bundesländer Thüringen, Sachsen- Anhalt und Sachsen. Speziell in Sachsen befanden sich riesige Standorte der Industrie. Maschinen aus Chemnitz, Autos aus Zwickau, Textilien und Uran aus dem Erzgebirge, Stahl und Computer aus  Dresden oder Eisenbahnen aus Görlitz bildeten wichtige Stützpfeiler der Reparationsleistungen der DDR an die Sowjetunion. Aber auch Porzellan aus Colditz, Jeans aus Löbau und Bücher aus Leipzig waren in den Moskauer und Wolgograder „Magasins“ beliebte Artikel aus deutscher Produktion.

Die wirtschaftliche Bedeutung der sächsischen Industrie hat man bereits in den fünfziger Jahren mit der fragwürdigen Umbenennung der Stadt Chemnitz in Karl-Marx-Stadt herausgestellt. Sicher hat damals auch eine Rolle gespielt, dass nach der kommunistischen Philosophie der einfache Arbeiter eine gesellschaftstragende Position innehaben sollte. Und Chemnitz war traditionell eine Hochburg der Arbeiterschaft und sozialer Machtkämpfe. Noch heute steht im Zentrum der Stadt das Karl-Marx-Monument vor einer riesigen Schriftwand mit dem Schlusswort aus dem „Kommunistischen Manifest“ „Proletarier aller Länder vereinigt euch!“. Es wurde 1973 in Anwesenheit Erich Honeckers enthüllt.

 

Befehlsempfang in Berlin

 

Es entwickelte sich ein regelrechter Berlin-Tourismus aus Sachsen. Das hatte zwei Gründe. Viele Bewohner fuhren bereits in den fünfziger Jahren häufiger zur Tante nach Berlin, vor dem Mauerbau 1961 auch nach Westberlin. Nur dort gab es die begehrten Orangen, Jeans und Transistorradios. Auch der Berliner Tierpark oder andere Attraktionen in Ost-Berlin waren sehenswert.

Andererseits rief die Arbeit nach Berlin. In dem streng zentralistisch geführtem DDR-Regime wurden auch alle Wirtschaftsentscheidung in Ost-Berlin getroffen. Die obersten Manager, damals sogenannte Kombinatsdirektoren, mussten wöchentlich zum Rapport beim Wirtschaftsminister oder auch an Erich Honeckers Schreibtisch persönlich antreten. Dort wurden die schlechten Wirtschaftsstatistiken schöngefärbt und die weiteren Messen gelesen. Aber auch mittlere Angestellte und einfache Werktätige wurden zu Besprechungen, Schulungen und Aushilfstätigkeiten nach Berlin abkommandiert.

Luftbild: Barther Straße · © Falcon CrestSo entstanden im Laufe der 70-er und 80-er Jahre riesige Plattenbausiedlungen für mehrere hunderttausend Menschen in den östlichen Berliner Stadtteilen. Hier wohnten aber größtenteils nicht die einfachen Arbeiter, nein in der DDR war es ein Vorzug des Regimes nach Berlin zur Arbeit berufen zu werden. Schließlich war hier der Lebensstandard etwas höher als in der sächsischen Provinz. Es gab jeden Tag Bananen, Schreibmaschinen, moderne Mode und das Wichtigste, West-Fernsehen, ohne erst die beschwerliche Reise nach Berlin zu den Verwandten auf sich nehmen zu müssen. Hier wohnten die Mitglieder der Intelligenzija, Lehrer, Ärzte, Journalisten, Künstler aber auch viele Stasi-Offiziere und SED-Funktionäre.

 

Insoweit passte sich Erich Honeckers Zuzügler-Politik nahtlos in die Tradition der Arbeitskräftewerbung zum Zwecke des eigenen wirtschaftlichen Aufschwungs und Wohlergehens einhergehend mit der preußische Tugend der Ausländertoleranz.