„König Kurt“ 1990-2002

 

Die Euphorie war groß. “Kommt die D-Mark nicht zu uns, gehen wir zu ihr“, riefen die Menschen während der Montagsdemonstrationen im Dezember 1989 in Leipzig. Doch es kam noch anders. Nicht die Sachsen mussten nach Bayern und nach Hessen, sondern König Kurt kam – Kurt Biedenkopf aus dem Rheingau. Wer war Kurt Biedenkopf? Natürlich kein König, kein erblicher oder eingekaufter Nachfolger der Wettiner, nein einfach ein Wirtschaftsprofessor und CDU-Politiker aus der alten Bundesrepublik. Er kam sah und siegte. Nach den Vorschußlorbeeren, welche die Christlich-Demokratische Union mit den Vereinigungsbemühungen Helmut Kohls eingefahren hatte, war die Wahlentscheidung im März und Oktober 1990 mit einer absoluten Mehrheit der Bundeskanzler-Partei vorprogrammiert. Damit war auch das künftige Bundesland Sachsen im Gegensatz zum „Roten“ Brandenburg auf die eher konservativ-demokratische Regierungslinie festgelegt. Was fehlte, war ein neuer „König“, für den alten und neuen Freistaat Sachsen. Liberal und freidenkend, vielleicht auch etwas altgläubig sollte er sein – wie Sachsen eben immer war. Kurt Biedenkopf, der immer in Konkurrenzstellung zu seinem Parteifreund Helmut Kohl stehende Westpolitiker, sah die Gunst der Stunde für gekommen. Wenn schon nicht König von Deutschland, dann wenigstens König von Sachsen – das wollte er sein. In Sachsen sah er das aufstrebende Bundesland Nr. 1 nach der Wiedervereinigung. Das konnte er als Wirtschaftswissenschaftler (der Marktwirtschaft) gut beurteilen. Also lies er sich von den Sachsen rufen, schnürte sein Ränzlein, setzte seine Frau in den Wagen und düste über die marode Autobahn von Bonn nach Dresden.

 

Biedenkopf wurde am 28. Januar 1930 in Ludwigshafen geboren. Nach einem Studium von Politologie, Volkswirtschaft und Jura in den USA lehrte er von 1964 bis 1970 als Professor in Bochum und war von 1971 bis 1973 Geschäftsführer der Henkel GmbH. Im Juni 1973 wurde Biedenkopf zum Generalsekretär der CDU gewählt, geriet allerdings zunehmend in Konflikt mit seinem Parteichef und ehemaligen Schulfreund Helmut Kohl, so dass er auf eine neuerliche Kandidatur für dieses Amt verzichtete. Erst 1987 wurde er in den Bundestag gewählt.

 

Im März 1990 übernahm Biedenkopf eine Professur für Wirtschaftsgeschichte an der Universität Leipzig. Nachdem die CDU aus den sächsischen Landtagswahlen im Oktober 1990 mit absoluter Mehrheit hervorgegangen war, wurde Biedenkopf Ministerpräsident. Bei den Landtagswahlen vom September 1994 konnte die CDU in Sachsen ihre Mehrheit noch ausbauen; Biedenkopf wurde im Amt bestätigt. Bei den Landtagswahlen im September 1999 musste die CDU geringfügige Verluste hinnehmen, behauptete aber mit 56,9 Prozent weiterhin die absolute Mehrheit; Biedenkopf blieb Ministerpräsident.

 

Im April 2002 verzichtete er nach einer Misstrauensdebatte  im Sächsischen Landtag auf das Amt. Auslöser bildete der Vorwurf des Amtsmissbrauchs im Zusammenhang mit dem ungewöhnlichen Lebensstil seiner Frau.

Damit ging für das Bundesland Sachsen eine besondere Ära zu Ende: Kurt Biedenkopf trat als einer der letzten Minister "der ersten Stunde in Ostdeutschland" nach 12 Jahren von seinem Amt zurück. Biedenkopf galt als einer der beliebtesten Ministerpräsidenten in Deutschland - selbst PDS Mitglieder bescheinigten ihm, er sei "in den Aufbaujahren genau der Richtige für Sachsen" gewesen.